Die Piraten wollen den Vorwurf ausräumen, sie seien ein Magnet für
Rechte und Radikale. Sie wehren sich gegen den Verdacht, Vorstand und
Landesverbände duldeten Mitglieder, die unter dem Schutz der piratigen
Freiheitsideale ihre Gesinnungen ausleben. Den Worten sollen Taten
folgen: Eine Konferenz soll Strategien gegen Problemmitglieder ausloten.
Mehrere hundert Piraten unterstützen den Appell von Geschäftsführerin
Marina Weisband, die eine härtere Gangart gegen Problem-Piraten fordert.
Doch die Mission Schadensbegrenzung funktioniert nicht. Vor allem weil die Partei ihre eigenen Bemühungen konterkariert. Aktuell platzen in die Debatte über den Umgang mit rechten Mitgliedern die Äußerungen des Berliner Piraten Martin Delius. Der 27-Jährige hat den raschen Erfolg seiner Partei mit dem der Nazis verglichen. "Der Aufstieg der Piratenpartei verläuft so rasant wie der der NSDAP zwischen 1928 und 1933", sagte er dem SPIEGEL.
Der Vergleich sorgt in den eigenen Reihen für heftige Empörung.
"Vergleicht die Piraten mit der NSDAP und will in den Bundesvorstand",
twitterte der Chef der Jugendorganisation Junge Piraten, Florian
Zumkeller-Quast. Garniert mit der Abkürzung "m(", einem Symbol für
"Facepalm", dem Ausdruck fassungslosen Fremdschämens. Binnen Stunden
fand sich das Schlagwort "NSDAP-Vergleich" in der Liste der
meistdiskutierten Begriffe auf dem Microbloggingdienst. Die Emotionen
schlugen so hoch, dass Bundesvize Schlömer mit mahnenden Worten
eingriff: "Zusammenhalten Piraten!!"
Schon der zweite NSDAP-Vergleich binnen einer Woche
Delius gilt als ausgleichender Denker, in der Bundespartei treibt er
die Entwicklung der Meinungsbildungssoftware Liquid Feedback voran. Bei
der Gauck-Wahl saß er als Piraten-Vertreter in der Bundesversammlung.
Ihm eine rechte Gesinnung vorzuwerfen, sei absurd, sagte er SPIEGEL
ONLINE am Sonntag, in seinem Blog bat er um Entschuldigung. "Ich
engagiere mich seit zehn Jahren gegen Neonazis." Um die Lage nicht
eskalieren zu lassen, ziehe er seine Kandidatur für ein Amt im
Bundesvorstand dennoch zurück. "Wir Piraten werben damit, dass wir nicht
relativieren, was wir einmal gesagt haben", fügt er hinzu, "deshalb
muss ich die Konsequenzen tragen." Sein Amt als Parlamentarischer
Geschäftsführer der Berliner Piratenfraktion wolle er zunächst weiter
ausüben.
Delius' Worte sind schon der zweite NSDAP-Vergleich eines führenden Piraten binnen einer Woche. Der Berliner Landeschef Hartmut Semken hatte sich mit teilweise drastischen Worten gegen den Ausschluss von Piraten ausgesprochen, die rechtsradikale Positionen vertreten. Unter anderem argumentierte er, die letzte Partei, die mit der gezielten Verfolgung von Personen "einen Riesenerfolg" erzielt habe, sei die NSDAP gewesen. Auch Semken entschuldigte sich, er hält sich einen möglichen Rücktritt offen. Was bleibt, ist der Eindruck, einige Funktionäre der Partei hätten weder Temperament noch Wortwahl im Griff.
Außerdem sind öffentliche Äußerungen nur ein Teil des Problems. Trotz aller Transparenzansprüche ist es schwer, im Dickicht der Piraten-Kommunikation - Stammtische, Mailinglisten, Foren-Threads - den Überblick über mögliche rechte Tendenzen zu behalten. Die Piraten verstehen sich als ultraliberale Partei, halten die Schwelle für einen Parteibeitritt bewusst niedrig. Man kann aus dem Stand auf einer Landesliste landen, Direktkandidat werden, einen Posten mit Verantwortung bekommen. Mehrfach ging diese Offenheit nach hinten los. Ein Ex-NPD-Mitglied war Spitzenkandidat in Mecklenburg-Vorpommern, das Parteiausschlussverfahren gegen einen mutmaßlichen Holocaust-Relativierer scheiterte, zwei Kreisvorsitzende hielten Neonazis in einer Mail-Debatte für weniger gefährlich als konservative Volksparteien.
Im Programm finden sich klare Positionen gegen Rassismus
Die Piraten sind keine rechtspopulistische Partei, das räumen selbst die schärfsten Piraten-Gegner ein. In Satzung und Programm der Piraten finden sich klare Positionen gegen Rassismus, es gibt Arbeitsgruppen gegen Ausländerfeindlichkeit und Neonazis. Aber bislang versäumt es die Partei, zweifelsfrei den Verdacht auszuräumen, sie könnten von Rechten, Extremen, Ideologen unterwandert werden. Die etablierten Parteien nutzen das Durcheinander zum Angriff: "Die Piraten müssen klarstellen, dass mit ihren rechtsextremistischen Umtrieben nicht der Eindruck entsteht, sie fischten rechte Proteststimmen ab", sagte FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger SPIEGEL ONLINE.
Die Debatte um rechte Mitglieder ist nicht die einzige Zerreißprobe in der sensiblen Findungsphase der Piraten. Auf dem Prüfstand steht eines der Grundprinzipien der Partei, das der absoluten Basisdemokratie. NRW-Landeschef Michele Marsching rechnet im aktuellen SPIEGEL mit der Vorstellung ab, "dass die Basis bei jedem Thema gefragt werden muss". Permanentes Graswurzeln sei in der Politik schlichtweg nicht machbar. NRW-Spitzenkandidat Joachim Paul trat kürzlich eine Debatte über die Abschaffung des Ehrenamtprinzips im Vorstand los, regte ein festes Gehalt für Führungsmitglieder an. Das wiederum regte viele Piraten auf, die den Gleichheitsanspruch in Gefahr sahen.
Aufregung vor dem Parteitag
Vor dem Bundesparteitag am kommenden Wochenende in Neumünster droht den Piraten außerdem ein Streit über die Länge der Amtszeit von Bundesvorständen und darum, ob der Vorstand mehr als nur ein verwaltendes Instrument sein dürfe. Viele Piraten fürchten einen Dammbruch hin zu zementierten Machtstrukturen. Wie bei den etablierten Parteien. Abgesehen davon gelten Führungsposten zunehmend als unattraktiv. Mit Delius zieht sich ein weiterer aussichtsreicher Kandidat für ein Amt im Bundesvorstand zurück. Schatzmeister Rene Brosig will aus Stressgründen nicht wieder antreten. Die populäre Piratin Marina Weisband hat ihren Rückzug schon vor einer Weile angekündigt. Der amtierende Bundeschef Sebastian Nerz gestand im Interview mit der "Welt", sein Nervenkostüm habe während seiner Amtszeit stark gelitten.
Der Personalschwund liegt vielleicht auch an den berüchtigten Shitstorms. Ende vergangener Woche verbreitete sich über eine Mailingliste kurzzeitig das Gerücht vom Tod Hartmut Semkens - während dieser in Schleswig-Holstein auf Wahlkampftour war. Semkens Vorgänger Gerhard Anger war wegen Überlastung nicht mehr angetreten. In der Liste der Bewerber für den Bundesvorstand finden sich mit Nerz, seinem Vize Schlömer, den Beisitzern Gefion Thürmer und Matthias Schrade mehrere Kandidaten, die auch jetzt schon im Bundesvorstand sitzen. Abgesehen von der Berliner Piratin Julia Schramm setzt sich der Rest der Bewerber aus No-Names zusammen. Vielleicht löst die Partei ihr Personalproblem aber auch auf piratige Art und Weise und probiert das Prinzip Überraschung: Auf dem Parteitag sind noch Spontankandidaturen möglich.
Doch die Mission Schadensbegrenzung funktioniert nicht. Vor allem weil die Partei ihre eigenen Bemühungen konterkariert. Aktuell platzen in die Debatte über den Umgang mit rechten Mitgliedern die Äußerungen des Berliner Piraten Martin Delius. Der 27-Jährige hat den raschen Erfolg seiner Partei mit dem der Nazis verglichen. "Der Aufstieg der Piratenpartei verläuft so rasant wie der der NSDAP zwischen 1928 und 1933", sagte er dem SPIEGEL.
Schon der zweite NSDAP-Vergleich binnen einer Woche
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Delius' Worte sind schon der zweite NSDAP-Vergleich eines führenden Piraten binnen einer Woche. Der Berliner Landeschef Hartmut Semken hatte sich mit teilweise drastischen Worten gegen den Ausschluss von Piraten ausgesprochen, die rechtsradikale Positionen vertreten. Unter anderem argumentierte er, die letzte Partei, die mit der gezielten Verfolgung von Personen "einen Riesenerfolg" erzielt habe, sei die NSDAP gewesen. Auch Semken entschuldigte sich, er hält sich einen möglichen Rücktritt offen. Was bleibt, ist der Eindruck, einige Funktionäre der Partei hätten weder Temperament noch Wortwahl im Griff.
Außerdem sind öffentliche Äußerungen nur ein Teil des Problems. Trotz aller Transparenzansprüche ist es schwer, im Dickicht der Piraten-Kommunikation - Stammtische, Mailinglisten, Foren-Threads - den Überblick über mögliche rechte Tendenzen zu behalten. Die Piraten verstehen sich als ultraliberale Partei, halten die Schwelle für einen Parteibeitritt bewusst niedrig. Man kann aus dem Stand auf einer Landesliste landen, Direktkandidat werden, einen Posten mit Verantwortung bekommen. Mehrfach ging diese Offenheit nach hinten los. Ein Ex-NPD-Mitglied war Spitzenkandidat in Mecklenburg-Vorpommern, das Parteiausschlussverfahren gegen einen mutmaßlichen Holocaust-Relativierer scheiterte, zwei Kreisvorsitzende hielten Neonazis in einer Mail-Debatte für weniger gefährlich als konservative Volksparteien.
Im Programm finden sich klare Positionen gegen Rassismus
Die Piraten sind keine rechtspopulistische Partei, das räumen selbst die schärfsten Piraten-Gegner ein. In Satzung und Programm der Piraten finden sich klare Positionen gegen Rassismus, es gibt Arbeitsgruppen gegen Ausländerfeindlichkeit und Neonazis. Aber bislang versäumt es die Partei, zweifelsfrei den Verdacht auszuräumen, sie könnten von Rechten, Extremen, Ideologen unterwandert werden. Die etablierten Parteien nutzen das Durcheinander zum Angriff: "Die Piraten müssen klarstellen, dass mit ihren rechtsextremistischen Umtrieben nicht der Eindruck entsteht, sie fischten rechte Proteststimmen ab", sagte FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger SPIEGEL ONLINE.
Die Debatte um rechte Mitglieder ist nicht die einzige Zerreißprobe in der sensiblen Findungsphase der Piraten. Auf dem Prüfstand steht eines der Grundprinzipien der Partei, das der absoluten Basisdemokratie. NRW-Landeschef Michele Marsching rechnet im aktuellen SPIEGEL mit der Vorstellung ab, "dass die Basis bei jedem Thema gefragt werden muss". Permanentes Graswurzeln sei in der Politik schlichtweg nicht machbar. NRW-Spitzenkandidat Joachim Paul trat kürzlich eine Debatte über die Abschaffung des Ehrenamtprinzips im Vorstand los, regte ein festes Gehalt für Führungsmitglieder an. Das wiederum regte viele Piraten auf, die den Gleichheitsanspruch in Gefahr sahen.
Aufregung vor dem Parteitag
Vor dem Bundesparteitag am kommenden Wochenende in Neumünster droht den Piraten außerdem ein Streit über die Länge der Amtszeit von Bundesvorständen und darum, ob der Vorstand mehr als nur ein verwaltendes Instrument sein dürfe. Viele Piraten fürchten einen Dammbruch hin zu zementierten Machtstrukturen. Wie bei den etablierten Parteien. Abgesehen davon gelten Führungsposten zunehmend als unattraktiv. Mit Delius zieht sich ein weiterer aussichtsreicher Kandidat für ein Amt im Bundesvorstand zurück. Schatzmeister Rene Brosig will aus Stressgründen nicht wieder antreten. Die populäre Piratin Marina Weisband hat ihren Rückzug schon vor einer Weile angekündigt. Der amtierende Bundeschef Sebastian Nerz gestand im Interview mit der "Welt", sein Nervenkostüm habe während seiner Amtszeit stark gelitten.
Der Personalschwund liegt vielleicht auch an den berüchtigten Shitstorms. Ende vergangener Woche verbreitete sich über eine Mailingliste kurzzeitig das Gerücht vom Tod Hartmut Semkens - während dieser in Schleswig-Holstein auf Wahlkampftour war. Semkens Vorgänger Gerhard Anger war wegen Überlastung nicht mehr angetreten. In der Liste der Bewerber für den Bundesvorstand finden sich mit Nerz, seinem Vize Schlömer, den Beisitzern Gefion Thürmer und Matthias Schrade mehrere Kandidaten, die auch jetzt schon im Bundesvorstand sitzen. Abgesehen von der Berliner Piratin Julia Schramm setzt sich der Rest der Bewerber aus No-Names zusammen. Vielleicht löst die Partei ihr Personalproblem aber auch auf piratige Art und Weise und probiert das Prinzip Überraschung: Auf dem Parteitag sind noch Spontankandidaturen möglich.
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